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Nomen est omen
Primus inter pares

26.06.2017

Erinnerungen...an Modellbaufachgeschäfte...

Dieser Tage fiel mir beim "Ausmisten" ein alter Kassenbon von 1991 des ehemaligen Karlsruher Modellbaufachgeschäftes "Hobby Haug" in die Hände und sofort hatte ich wieder Bilder des Ladens und dem Inhaber vor dem geistigen Auge, in dem ich über zwei Jahrzehnte lang sehr gerne einkaufte.
Erinnerungen an vergangene Zeiten des Hobbys wurden wach, vom ersten in diesem Geschäft gekauften Modellbausatz (ein BMW 3.5 CSL von Otaki in 1:24) als Jugendlicher Anfang der 80'er Jahre, bis hin zur Schließung des Ladens im Jahr 2012.
In meinen umherschweifenden Gedanken an "die gute alte Zeit" kamen auch viele andere Modellbaugeschäfte der Umgebung in Erinnerung, die leider allesamt in der Zwischenzeit von der Bildfläche verschwunden sind.

Auch Jahre danach empfinde ich es immer noch als besonderen Verlust, dass der Eingangs erwähnte Modellbaufachhändler Hobby Haug nach mehr als vier Jahrzehnten in Karlsruhe ansässig, seine Tätigkeit im Oktober 2012 aus Altersgründen beendete und sich offenbar auch kein Nachfolger für dieses Traditionsgeschäft fand. Er war der letzte seiner "Spezies" und ein Modellbaufachgeschäft dieser Art existiert hier im Raum Karlsruhe seither nicht mehr...!
Das Sortiment bei Horst Haug umfasste ein breites Spektrum was man zum Plastikmodellbau benötigte; und seit meiner Jugendzeit war dieses Fachgeschäft die erste Anlaufstelle, wenn es z.B. um Zubehör, Farben usw. ging. Zudem bezog ich den Großteil meiner Airbrush-Ausstattung bei ihm...die ich nach mehr als 25 Jahren immer noch verwende!


Das ehemalige Modellbaufachgeschäft "Hobby Haug" in Karlsruhe...

Zwar waren die Preise von Haug stellenweise etwas höher als anderswo, jedoch für den verhältnismäßig kurzen Anfahrtsweg, guten Service sowie fundierte Fachberatung legte man gern die eine oder andere DM bzw. später dann Euro an "Mehrkosten" hin; das Preis/Leistungsverhältnis stimmte jedenfalls bei Haug.
Gern plauderte ich mit dem Inhaber Horst Haug über das Hobby und durch ihn bin ich u.a. auf die jährliche Modellbauausstellung der "D/CDN Maple Leaf Modelers" in Bühl/Baden aufmerksam gemacht geworden, bei der ich nunmehr seit fast einem Vierteljahrhundert als Aussteller dabei bin.
Kurzum: Neben der unersetzlichen fachlichen Kompetenz der Händler, war es in solchen Geschäften wesentlich freundschaftlicher, erlebnisreicher und sympathischer einzukaufen als z.B. heutiges bestellen per Mausklick...!

So bequem und (relativ) unkompliziert das moderne Einkaufen im Internet auch in unserem Hobby mittlerweile sein mag...ich bin mir dabei sehr sicher, dass sich jeder Modellbauer meiner Generation gerne an die Zeit und den "Flair" zurückerinnern wird, als man in Fachgeschäften vor Regalen voller Modellbauartikel stand, die Sachen real in Händen halten konnte und der Händler hin und wieder erlaubte, z.B. die Bausatzschachtel zu öffnen um den Inhalt zu begutachten!
Stundelanges Stöbern und Fachsimpeln im Laden des Vertrauens....und am Ende des Öfteren zwar mehr Geld ausgegeben als eigentlich eingeplant, aber trotzdem ist man immer mit einem zufriedenen Grinsen im Gesicht wieder nach Hause gegangen. Alleine das Herumstöbern in den Läden und das Drumherum kann kein noch so gut sortierter Onlineshop ersetzen..!
Fast schon schmerzlich festzustellen ist, dass diese Zeiten zumindest hier im Großraum Karlsruhe leider ersatzlos vorüber sind, sowie auch in vielen anderen Gebieten Deutschlands.

Neben den spezialisierten Modellbaufachgeschäften gab es noch reichlich Händler mit gemischtem Warensortiment, die zusätzlich Modellbauartikel im Angebot hatten.
Damit meine ich nicht irgendwelche Spielwarenketten, Kaufhäuser oder Drogeriemärkte mit ihrem "monokulturellen" Revell Grundprogramm (absolut nichts gegen Revell, aber das Standardangebot in diesen Geschäften haut mich nicht vom Hocker). Ich spreche vielmehr von den vielen kleinen "Gemischtwarenhändlern", die z.B. neben Zeitschriften, Schreibwaren, Spielwaren, Schulbedarf etc. auch diverse Modellbauartikel in den Regalen hatten.

Denke ich zurück, so fallen mir dazu spontan etliche Läden ein. Als stellvertretendes Beispiel sei das Schreibwarengeschäft "Uta Baumeister" in unserem Ort erwähnt, das zwar heute noch existiert (unter anderem Namen), jedoch dort seit sehr vielen Jahren nichts mehr für den Modellbau zu erwerben ist.
Der von uns umgangssprachlich "Toto Lotto" genannte Laden hatte so ziemlich das gesamte Matchbox und AIRFIX Programm im Angebot (wie auch vereinzelt HELLER und AMT) und ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie ich als Jugendlicher oft genug vor den Regalen stand und mir die vielen Bausatzschachteln ansah...so viele schöne Modelle, so wenig Geld..! In diesem Geschäft kaufte ich 1974 als siebenjähriger Lausbub' meinen allerersten Bausatz, eine 1:72'er F4U-4 Corsair von Matchbox..!


Hier war das vormalige Schreibwarengeschäft "Uta Baumeister" in Durmersheim...

Solche "Gemischtwarenläden" findet man hin und wieder tatsächlich auch heute noch, wie z.B. der Farben- und Tapetengroßhandel "Farben Scheuble" in Karlsruhe/Durlach, der nebenbei auch Bausätze und etwas Zubehör im Programm hat...aber diese "Spezies" ist mittlerweile ebenfalls zu einer absoluten Seltenheit geworden.


Farben Scheuble in Karlsruhe/Durlach...
Nachtrag Oktober 2019: Farben Scheuble ist mittlerweile auch geschlossen!

Dass "physische" Modellbaufachgeschäfte immer seltener werden hat viele Ursachen und ist im Grunde nichts überraschendes.
Ich möchte die vielfältigen Gründe dazu an dieser Stelle gar nicht allesamt aufführen, denn das würde zu weit führen. Nur soviel: Wesentlich mitentscheidend für diese Entwicklung ist das "moderne Kaufverhalten" der Kunden, also von uns Modellbauern...ich kann und will mich da gar nicht herausnehmen.
Seit dem Zeitalter von Onlineshopping hat sich für Händler und Kunden viel verändert. Unter anderem wurde die Konkurrenz sowie der Preisdruck durch Internetshops immer größer und die Globalisierung machte auch vor diesem Hobby nicht halt. Es war im Prinzip noch nie so einfach an das gesamte, weltweite Modellbauprogramm zu kommen wie heutzutage.
Sprangen die Händler nicht rechtzeitig oder gar nicht auf diesen rollenden Zug des Onlineshoppings auf, bedeutete das in Konsequenz zumeist die direkte Fahrt aufs Abstellgleis.
Aber vor allem für die "Gemischtwarenhändler" machte es keinen Sinn mehr, sich zu ihrem Hauptsortiment noch weiterhin Modellbausätze hinzulegen, sie hatten ohnehin schon seit geraumer Zeit ihre liebe Mühe, jahrelang herumliegende "Staubfänger" loszuwerden.
Dazu trägt auch der demografische Wandel sowie die "Interessenverlagerung der Freizeitgestaltung von Kindern und Jugendlichen" bei; aber das sind wiederum ein völlig eigene Themen und würden hier ebenfalls den Rahmen sprengen!

Begonnen hat dieser Prozess hier im Großraum Karlsruhe teilweise schon Jahre vor der Zeit der Internetshops.
Bereits im Jahr 1985 machte z.B. das Karlsruher Spielwarenhaus "Haus des Kindes" Christmann dicht, in dem sich zuvor jahrzehntelang Kinder- und Erwachsenenträume erfüllten.
Christmann beherbergte im Untergeschoss eine sehr gut sortierte Modellbauabteilung u.a. mit HASEGAWA und Fujimi Bausätzen in Hülle und Fülle...ein "Modellbau-Eldorado" zu dieser Zeit!


Das damalige "Haus des Kindes" Spielwaren Christmann in Karlsruhe...

Bis März 2013 existierte noch das mehrgeschossige Spielwarenhaus "Doering", welches zwar nicht über ein Sortiment verfügte wie z.B. Onlineshops mit tausenden von Artikeln, aber man wurde meistens fündig. Denn auch bei Doering lagen u.a. diverse US- und asiatische Hersteller in den Regalen, sowie gutes Zubehör und das gesamte Tamiya Farbenprogramm.
Das im Jahr 1796(!) gegründete Traditionsunternehmen Doering wurde offenbar ein Opfer der zunehmenden, modernen Konkurrenz durch den Internetverkauf und der Belastung durch die zweifelhafte Karlsruher Kombilösung, welche seit 2010 den Umsatz unzähliger Kunden gekostet haben soll.


Das ehemalige Spielwarenhaus Doering in Karlsruhe...

Diese "Modellbauparadiese" in der großen badischen Kreisstadt besuchten ein guter Freund und ich so gerne, so dass wir in den Zeiten noch ohne Führerschein und eigenes Auto, oftmals die Strecke von insgesamt 32 Kilometern (Hin- und Rückfahrt) mit den Fahrrädern bei Wind und Wetter abstrampelten, denn das für den Linienbus gesparte Geld konnten wir wiederum in unser Hobby investieren...klingt vielleicht bekloppt, ist aber wahr!
Von den vielen mittleren und kleinen Händlern wie z.B. Spielwaren Kunz, Modellbahn Schottmüller, Zeitschriften Handreck, Spielwaren Kässinger und und und gar nicht zu sprechen...kein einziges Geschäft existiert noch (zumindest nicht in seiner Ursprungsform)..!


Das einstige Bekleidungs-, Schreib- und Spielwarengeschäft "Kässinger" in Durmersheim...

So nebenbei erwähnt schreibt hierbei eine Person eine ganz persönliche, ja fast schon als bedauerlich zu bezeichnende Geschichte.
Ein fachkundiger Verkäufer - nennen wir ihn "Rüdiger" - arbeitete lange Jahre beim erwähnten Spielwarenhaus Christmann in der Modellbauabteilung und nach dessen Geschäftsaufgabe wechselte Rüdiger zum Spielwarenhaus Doering; ebenfalls in die Modellbauabteilung. Doch Doering ist mittlerweile auch geschlossen...!
An Rüdiger lag es ganz gewiss nicht, dass die beiden Unternehmen ihren Betrieb einstellten, dafür waren ganz andere Gründe und Personen verantwortlich.
Rüdiger war ein Enthusiast und hatte ein ganz besonderes Näschen für guten Modellbau. Ihm war es zu verdanken, dass auch diverse Exoten im Angebot waren wie u.a. Hasegawa, Fujimi oder MPC, AMT und Revell bzw. Monogram USA etc. usw., welche seinerzeit hierzulande nicht so einfach zu bekommen waren.
Hatte man mal einen besonderen Wunsch oder war etwas nicht auf Lager, so bestellte er die Artikel usw.; kurzum, er kümmerte sich hervorragend um seine Kunden.
Bei seinem jetzigen, höchstwahrscheinlich letzten Arbeitgeber (eine Drogeriekette die auch etwas Modellbau anbietet) wird Rüdiger dieses vielfältige Angebot leider nicht umsetzen können, in den Regalen liegen fast ausschließlich "blaue Bünde Schachteln"...!

Diese spannenden Geschäfte und auch rührige Typen wie Rüdiger werden in der Form wie ich sie noch erlebte hier im Großraum Karlsruhe nicht mehr zurückkommen, soviel ist sicher.
Das bequeme Einkaufen via Internet hat sich zwar vollständig etabliert und erleichtert in vielerlei Hinsicht unser Hobby, aber trotz aller Bequemlichkeiten des Onlineshoppings...die fachliche Kompetenz, der Flair und die Sympathie von Modellbaufachgeschäften ist durch nichts ersetzbar und bleibt am Ende nur eine schöne Erinnerung an die "gute alte Zeit"...!

Nachtrag 01.01.2022: Ich möchte das Einkaufen per Internet nicht verteufeln oder ähnliches...denn ohne das mittlerweile weltumspannende ''Online-Einkaufen'' wäre es z.B. nur äußerst schwer bzw. überhaupt nicht möglich, sich alte Bausätze anzuschaffen! Von daher hat das ''Online-Shopping'' auch seine Vorzüge.

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Randnotiz(en)...

Der Strukturwandel beschleunigt sich. Selbst uralte Traditionsgeschäfte bleiben davor nicht verschont..!

Mittlerweile davon betroffen ist z.B. auch das fast hundertjährige Hamburger Fachgeschäft Modellbau Rettkowsky auf St. Pauli sowie der Hannoveraner Modellbauladen Georg Brüdern, der nach 105 Jahren dicht macht; um nur zwei von vielen zu nennen die noch folgen werden oder bereits geschlossen haben (Stand 26.06.2017)!



"Das Internet kann den Modellbau-Fachhandel nicht ersetzen" ist der Slogan eines Würzburger Modellbaufachhändlers.
Ein vorbildlicher Leitsatz, der jedoch den rasant fortschreitenden Prozess des Strukturwandels nicht aufhalten wird!

Während der Onlinehandel immer weiter wächst, verschwindet der Einzelhandel besonders in den Innenstädten zusehends; in ländlicheren Gebieten ist der Einzelhandel ohnehin auf einen kritischen Stand gesunken.

Nach einer Prognose werden schon in den kommenden sechs Jahren voraussichtlich tausende traditionelle Geschäfte unterschiedlichster Branchen vom Markt verschwunden sein, überwiegend Fachhändler und Einzelkämpfer.
Keine überraschende, aber eine Besorgnis erregende Entwicklung...!

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